SchlagwortIch und Welt: Philosophie der Subjektivität

Kiesstrand

Dem Kiesstrand entlang schlendern, einen Stein auflesen, einen anderen liegen lassen

Was auf dem Kiesstrand geschieht, betrifft zuerst, was den Erzählungen der Menschen entnommen wird, die Beratung in der Praxis für die Sachen selbst beanspruchen. Und dann, woran die Entscheide festgemacht sind, was von Philosophinnen und Philosophen während einer Beratung eingebracht wird. Gerade heute sind das Überlegungen von

  • Rahel Jaeggi, weil sie Individuen nicht paternalistisch kritisieren will, sondern sich um die Strukturen, die den Individuen Entscheidungsmöglichkeiten vorgeben, kümmert;
  • Susan Neiman, für die Erwachsensein ein Balanceakt ist: Ständig ein Auge darauf zu haben, wie die Welt ist, ohne aus dem Blick zu verlieren, wie sie sein sollte;
  • Hermann Schmitz, weil er der reduktionistischen Introjektion eine Form der Intersubjektivität gegenüberstellt, die er affektives Betroffensein nennt;
  • Bernhard Waldenfels, weil er in jedem Versuch einer verstehenden oder erklärenden Rationalisierung von Gewalt einen Schleichweg sieht;
  • Peter Sloterdijk, weil sich bei ihm Sachen zum radikalen Selbstbezug finden1«Wenn der Mensch in sich hineinschaut, dann findet er, wie Gottfried Ben es einmal sagt; ‹Ich blickte in mich hinein und was fand ich? Ich fand die Soziologie und die Leere.› Das heisst, ich finde Leute und nichts. Und das Nichts bin ich. Dieses Unbestimmte, das noch alles werden kann, diese totipotente Zelle eines absoluten Lebensgefühls, um das herum entwickeln sich die Freiheitsimpulse. Und was dazukommt, ist eine Erfahrung, die schon Kinder erleben, die vielleicht das stärkste Freiheitsgefühl haben: Selbst der Anfang einer Ursachenreihe sein können.»;
  • Matthias Ohler, weil nach ihm das zu Tuende ist, die Sachen der Philosophinnen und Philosophen in ein Dienstleistungsverhältnis zu bringen;
  • Hannah Arendt, weil sie, während sie arbeitete, an Wirkung nicht interessiert war und von
  • Barbara Gründler: weil es «[n]ach dem vorsichtigen Einträufeln des bitteren und schwer zu metabolisierenden Gegengifts der Philosophie (…) zu einer allmählichen Desillusionierung der durch asketische Ideale Verzärtelten und einer befreienden Abkehr von Glaubenssätzen jeder Art kommen» kann2Gründler B. (2019). Von seelischer Selbstvergiftung und Hasskonserven: das Ressentiment im Sprachspiel der Psychiatrie. wbg Academic, S. 354.

Mit dem Angebot der Praxis für die Sachen selbst stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

…und so fort…

Deine Darstellung ist trostlos, aber nur für die Analyse, deren Grundfehler sie zeigt. Es ist zwar so, daß der Mensch sich aufhebt, zurückfällt, wieder sich hebt und so fort, aber es ist auch gleichzeitig und mit noch viel größerer Wahrheit ganz und gar nicht so, er ist doch Eines, im Fliegen also auch das Ruhen, im Ruhen das Fliegen und beides vereinigt wieder in jedem Einzelnen, und die Vereinigung in jedem, und die Vereinigung der Vereinigung in jedem und so fort, bis, nun, bis zum wirklichen Leben, wobei auch diese Darstellung noch ebenso falsch ist und vielleicht noch täuschender als die deine. Aus dieser Gegend gibt es eben keinen Weg bis zum Leben, während es allerdings vom Leben einen Weg hierher gegeben haben muß. So verirrt sind wir.

Franz Kafka

Zwischen den Seiten von Ich und Welt fand sich ein Zeitungsartikel zu Schulz’ Untersuchungen der Geschichte der Ästhetik. Weil ich es, nachdem das Zitat aus der Einleitung kopiert war, meinem Freund schenkte, bleibt das Buch von hier aus gesehen eines, über das man spricht, aber nicht gelesen hat. Ob es die Überlegung enthält, dass Subjektivität, auf die sein Untertitel eingeht, am Ich haftet und kaum anders in der Welt vorkommt? Dass Auseinandersetzungen aus der Vergangenheit – das Buch stammt aus dem Jahr 1979 – es mitunter vermögen, die Gegenwart zu entwirren, stand beim Verschenken im Hintergrund. In erster Linie erhielt der Freund das Buch, weil es ästhetisch ist, einen Verweis zu einem weiteren Buch enthält, das mit Ästhetik befasst ist, und weil ein Antiquar mit ihm ein Schaufenster auf eine Weise ausstattete, die meine Subjektivität zu betreffen vermochte. Ein Ich bespielte die Welt. Sie bespielte daraufhin ein Ich. Und so fort.

Wanderungen

Ich schlage Ihnen vor, das, was wir uns über uns und die Welt erzählen, auch unter dem Gesichtspunkt des Betroffenseins anzuschauen. Als Alternative zur Bewertung des Inhalts. Zwischen dem Inhalt der Erzählung und dem, wie uns die Erzählung betrifft, hin und her zu wandern, ist zentrales Beratungsanliegen. Über das Betroffensein lässt sich meiner Erfahrung nach leicht in Form von Gefühlen austauschen.

Gehen Sie davon aus, dass Gefühle uns mit der Welt oder anderen Menschen verbinden. Nehmen Sie als Beispiel ein Buch, das Sie langweilt. Sie stehen mit dem Buch zwar in Verbindung, der Bezug erscheint Ihnen jedoch leer. Das lässt sich auf menschliche Verbindungen übertragen. Dafür, warum es hierzu wichtig ist, auf die Unterschiedlichkeit verbindender Gefühle – nehmen wir Liebe und Wut – zu achten, gibt es in der Praxis für die Sachen selbst Raum.

Bei der Verortung von Handlungen und Möglichkeiten auf Enge und Weite zu achten und darüber zu sprechen, ob, während Sie erzählen, enthusiastisch, matt, Verliebtheit, taub, erniedrigt, Ungeduld, Aufregung, Nervosität, Leid, Demut, knorrzig, attraktiv, glücklich, unsicher, verwirrt, sicher, spitz, Mitleid, erregt, geil, gedemütigt, Neugier, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, erschrocken, angewidert, Ehrgeiz, verletzt, Hass, Stolz, einsam, gerührt, Romantik, Verbundenheit, angenommen, erhaben, Trauer, Wut, Angst, Scham, Zuversicht, Erleichterung, Vorfreude, Freude, Langeweile, voll, Sehnsucht, Enttäuschung, frei, lustlos, stumpf, Ohnmacht, Liebe, Hoffnung, Ärger, Lust, gekränkt, Ehrgeiz, bedrückt, Ekel, Fröhlichkeit, Beklemmung, Mut, Neid, bedrängt, lustvoll, Heiterkeit, dankbar, panisch, erschlagen, Geborgenheit oder Verzweiflung feuerwerksgleich aufblitzen, ist ein weiteres Merkmal meiner Beratungspraxis. Zur Selbstzugänglichkeit (Rahel Jaeggi) gehört das Wagnis, Gefühle auf ihre Eigenschaften (bspw. einengend, befreiend) zu untersuchen.

Menschliche Kommunikation betrachten wir unter Einbezug der Axiome von Paul Watzlawick oder Friedemann Schulz von Thuns Vier Ohren. Sie sind, das findet sich überzeugend bei Joachim Lempert, zusammen mit seinem Wahrnehmungsmodell zu denken.

In der Praxis für die Sachen selbst wird darüber hinaus die Unterscheidung Gemachtes und Gedachtes gehütet; ob von überschäumenden Möglichkeiten, die für Sie als Erkenntnis eine Qualität haben werden, gesprochen wird, oder davon, wie Sie eine dieser Möglichkeiten handelnd in Anspruch nehmen.

Kombination von Joachim Lemperts Wahrnhemungsmodell, Schulz von Thuns Kommunikationsmodell und der Unterscheidung Gemachtes und Gedachtes.