Zutrauen?

Zutrauen benötigt als Ausdruck einen Bezug. Dieser erste Satz will der Anfang einer doppelten  Inbezugsetzung sein. Erstens wird angenommen, dass es Zutrauen an Eigenständigkeit mangelt, besser gesagt, dass es auf Unterstützung angewiesen ist, um von sich sagen zu können, was es sein will. Zweitens wird es hier als Ausdruck gesehen, der auf seine innere Beschaffenheit untersucht werden kann.

Auf den ersten Blick mag die Vielseitigkeit des Ausdrucks edel wirken. Aber dadurch, dass er versucht, sich einer Moral zu enthalten, ist er stummer Steigbügelhalter. Als Ausdruck ist Zutrauen leer, weil es keinen eindeutigen Kontext für ihn gibt. Er kann dafür verwendet werden, einen Mord, fürsorgliche Absichten aller Art als auch Eigenschaften wie Habgier oder Romantik zuzuschreiben. Autonom nimmt er für sich darüber hinaus in Anspruch, Mut zu propagieren. Auf die Frage Mut wozu? gibt er jedoch keine Antwort. Auf sich selber deutend, lässt Zutrauen offen, was es ausdrücken will und bleibt dazu sibyllinisch, wie es erlangt werden kann.

Als Zauberwort des Humanismus verstanden, wird Zutrauen hier in einem Atemzug mit denkenden Tieren genannt. Wobei Menschen keinesfalls mittels Dressur dazu gebracht werden sollten, es zu zeigen. Die beste Art (in Anlehnung an ein Zitat von Paul Feyerabend) Menschen Zutrauen zu vermitteln, besteht darin, sie gegen systematische Versuche, sie zutraulich zu machen, zu immunisieren.

Auf den zweiten Blick ist Zutrauen ermöglichende Zwischenmenschlichkeit. Es ist von Menschen  abhängig. Ihre Rollen und ihre Aufgaben sollten an seinem Erwerb oder an seinem Erhalt ausgerichtet sein. An den Tag gelegtes Zutrauen ist wirklichkeitsnahes, gelebtes Sein, das Menschen stärkt und kräftigt.

Solches Zutrauen wird unter anderem durch Argwohn und Unsicherheit bedroht. Erfährt es weder verantwortliche Redeweise noch konkrete, gegenwartsbezogene Handreichungen, ist sein Auftritt gefährdet. Zutrauen appellatorisch, mit abstrakter Vernunft, einzufordern, vertreibt es genauso. Es benötigt wachstumsfördernde Gelegenheiten. Die Orientierung am vertrauensvollen Sein eines Gegenübers steht dabei zuvorderst.

Zutrauen, als Konstruktion oder Rationalisierung eines Menschen, läuft Gefahr zu überschiessen und sich in leutselige, herablassende, übermütige oder verpflichtungslose Freundlichkeit, beziehungsweise  Gutgläubigkeit zu verwandeln. Überdies ist die Verlockung gross mit solchem Zutrauensüberschuss die Frage nach dem Sinn des Lebens höher zu gewichten, als Tätigkeiten, die das Leben an etwas Konkretes binden

Als mögliche Herausforderin von Zutrauen soll nun Skepsis zu Wort kommen, an der Dasein  geradeso gut festmachen kann. Wird Skepsis derselben (eingangs gemachten) Inbezugsetzung preisgegeben, wird von ihr also angenommen, dass sie auf Helferinnen angewiesen ist, um von sich sagen zu können, was sie sein will, pariert sie das leichtfüssig. Sie brüstet sich dabei weder mit ihrer griechischen Vergangenheit, die sie im Gegensatz zum Zutrauen vorzuweisen hat, noch pocht sie als Ausdruck darauf, vielseitig zu sein. Sie steht eindeutig für das Zögern. Das betrachtet sie als Notwendigkeit. Mit dem Mut steht sie auf einer Stufe. Mut zur Skepsis klingt nach einem fruchtbaren Wechselspiel. Im Vergleich dazu hört sich Mut zum Zutrauen etwas gesucht an.

Treten die beiden Ausdrücke gegeneinander an, ist Zutrauen im Nachteil. Auch wenn Anwendungsfälle denkbar sind, in denen es die bessere Figur macht. Einer Person, die einen zynischen Umgang mit sich selbst pflegt, ist es bedarfsweise hilfreicher, das Zutrauen eines Mitmenschen zu meditieren, statt skeptisch über den Nutzen von Selbstzynismus zu rätseln. Sobald Geringschätzung und Herablassung an ein Du gerichtet sind und es darum geht, solches Tun einzugrenzen oder in seine Schranken zu weisen, wird der Vorteil der Skepsis sichtbar. Währenddessen Zutrauen in diesem Fall verängstigt in die philanthropische Trickkiste zurück krebst, kämpft Skepsis mit einem Subjekt, das Fremdes abwertet, indem es ihm eine bestimmte Offenheit aufzuzwingen sucht. Ein solches Subjekt kann mittels Skepsis immerhin zu seinen Gewissheiten befragt werden, die es dazu hat, dass seine Fremdabwertung gerechtfertigt ist.

Auch Überbetonung von Skepsis ist Menschen abträglich. Eine solche Überbetonung kann geschwächt werden, wenn die Frage im Spiel bleibt, worauf sich Skepsis bezieht. Dazu hat Zutrauen etwas zu sagen. Kaum lässt es sich auf das Wagnis ein, erwähnte Stufe zu erklimmen und sich zwischen der Skepsis und dem Mut aufzustellen, wird seine Autorität in Verbindung mit Austausch beobachtbar.

Wanderungen

Ich schlage Ihnen vor, das, was wir uns über uns und die Welt erzählen, auch unter dem Gesichtspunkt des Betroffenseins anzuschauen. Als Alternative zur Bewertung des Inhalts. Zwischen dem Inhalt der Erzählung und dem, wie uns die Erzählung betrifft, hin und her zu wandern.

Über das Betroffensein lässt sich meiner Erfahrung nach leicht in Form von Gefühlen austauschen.

Ich gehe davon aus, dass Gefühle die Beziehung zwischen uns und der Welt oder anderen Menschen darstellen. Nehmen Sie als Beispiel ein Buch, das Sie langweilt. Sie stehen mit dem Buch zwar in Verbindung, der Bezug erscheint Ihnen jedoch leer.

Als Orientierungsrahmen dienen mir Friedemann Schulz von Thuns Vier Ohren und Joachim Lemperts phänomenologisches Wahrnehmungsmodell.

Ich hüte die Unterscheidung Gemachtes und Gedachtes, ob von überschäumenden Möglichkeiten, die für Sie als Erkenntnis eine Qualität haben werden, gesprochen wird, oder davon, wie Sie eine dieser Möglichkeiten handelnd in Anspruch nehmen.

Ich achte bei der Verortung von Handlungen und Möglichkeiten auf Enge und Weite und darauf, ob, während Sie erzählen, enthusiastisch, matt, Verliebtheit, taub, erniedrigt, Ungeduld, Aufregung, Nervosität, Leid, Demut, knorrzig, attraktiv, glücklich, unsicher, verwirrt, sicher, spitz, Mitleid, erregt, geil, gedemütigt, Neugier, Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, erschrocken, angewidert, Ehrgeiz, verletzt, Hass, Stolz, einsam, gerührt, Romantik, Verbundenheit, angenommen, erhaben, Trauer, Wut, Angst, Scham, Zuversicht, Erleichterung, Vorfreude, Freude, Langeweile, voll, Sehnsucht, Enttäuschung, frei, lustlos, stumpf, Ohnmacht, Liebe, Hoffnung, Ärger, Lust, gekränkt, Ehrgeiz, bedrückt, Ekel, Fröhlichkeit, Beklemmung, Mut, Neid, bedrängt, lustvoll, Heiterkeit, dankbar, panisch, erschlagen, Geborgenheit oder Verzweiflung feuerwerksgleich aufblitzen.

Zur Selbstzugänglichkeit (Rahel Jaeggi) gehört das Wagnis, Gefühle auf ihre Eigenschaften (bspw. einengend, befreiend) zu untersuchen.

überwältigende Gefühle

Ich klettere auf die Befestigung des Ufers. Ich blicke in den Fluss. Ich setze mit Selbstverständlichkeit einen Grund voraus. Das Wasser ist klar. Was zu sehen ist: Umfassende Dunkelheit. Das Reissen des Stroms. Im Namen des Phänomens, des originären Gefühls, der Interpretation, der Bewertung und allem Abgeleiteten beherzt zu fragen, was ich gelten lassen muss, gerät ins Wanken.

Im Fluss. Ich stehe auf einem grossen schweren Stein. Er wird von Sand und kleineren Steinen getragen. Ich steige ins kalte Wasser. Ich tauche ein. Ich tauche auf. Was vom Stein aus dem Strom ragt, bietet mir Rauheit und Sommerwärme. Aufwärmen. Zu mir gehört, von einem Fluss umgeben zu sein und die Annahme, dass die Tage des festen Sitzes des Steins gezählt sind. Angst ist eine grosse Kraft. Wie Trauer, Ärger, Freude, Glück, Scham. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen.